‚A play of unseen stories‘ ist ein Ort, der sich mit dem Scheitern auseinandersetzt. In urbanen Räumen gelten
leerstehende Gebäude als „gescheitert“, dies beschreibt ungenutzten und unbespielten Raum an einem Ort, an
dem jeder Quadratmeter kostbar ist.
Das Projekt befasst sich mit einem verlassenen und gescheiterten Gebäude in Mailand: das ‚Cinema Imperiale‘.
Das Kino steht schon seit zwei Jahrzehnten leer. Seine Funktion als Lichtspielhaus hat es verloren, und der Bau
verfällt zunehmend. Vielen Einwohnern ist das heruntergekommene Gebäude ein Dorn im Auge, das am besten
abgerissen werden soll. Die Architektur ist gescheitert, der Makel der Stadt soll so schnell wie möglich beseitigt
werden.
Scheitern wird in der europäischen Kultur oft mit einem Fehlschlag gleichgesetzt und ist negativ besetzt. Es kann
aber auch anders betrachtet werden, wie ein Kreislauf, ein Kreislauf von Werden und Vergehen. Somit
bekommen das Scheitern und der Makel eine gewisse Schönheit, eine Relevanz. In den Zwischenräumen von
Werden und Vergehen entsteht neuer Raum für neue Handlungen, neue Geschichten, die das Potenzial haben
Denken und Zukunft neu zu gestalten.
Genauso inszeniert sich hier Architektur. Aus der bestehenden alten Struktur des ‚Cinema Imperiale‘ wird
Material herausgeschnitten, Leerräume werden geschaffen. Das Kino hat über ein halbes Jahrhundert
Geschichten erzählt. Nun spielen sich in diesen Leerstellen neue Geschichten ab. Die Stille, die dem Leerraum
beiwohnt, lädt den Benutzer ein, sich in seinen Träumereien zu verlieren oder in fremde Welten einzusteigen.
Somit haben Geschichten und Träumereien die Möglichkeit, in den Köpfen der Benutzer auf Wanderschaft zu
gehen.
In diesen neu entstandenen Zwischenräumen fügt sich die Leinwand ein. Sie transformiert sich von ihrer
ursprünglichen Funktion, der zweidimensionalen Projektionsfläche, zu einer schützenden Hülle, die Träume
einfängt und Geschichten weitererzählt.
Der Benutzer wird angehalten seine eigenen und somit neuen Handlungsstränge einzubinden. Dadurch bringt
der Außenstehende seine ganz eigene Geschichte und Fantasiewelt in die Handlung mit ein. Er schreibt das
Drehbuch von anderen mit und weiter. Der Benutzer wechselt somit die Rolle vom alleinigen Zuschauer zum
Gestalter, zum Regisseur, zum Künstler bis hin zum Geschichtenerzähler. Er wird in die Handlung involviert und
somit ein Teil des Gesamten.
Geschichten und Architektur können hier auf verschiedene Weisen erzählt werden. Werden Fragmente
hinzugefügt, entfernt oder umgesetzt, entstehen ganz neue Handlungen. Situationen werden erweitert und
Unmögliches wird sichtbar gemacht. Der Mensch hat hier die Möglichkeit, den üblichen Blickwinkel zu verlassen
und die Aufmerksamkeit zu verlagern. Hier können wir die tiefere Wirkung von Werden und Vergehen erkennen.
‚A play of unseen stories‘ ist ein Ort, der Geschichten und Menschen zusammenführt, der uns anspornen will,
neue Geschichten zu spinnen und uns neu zu vernetzen.
2022
Natali Ramoser
Supervisor: Eric Sidoroff